IINVESTITIONEN
INS HUMANKAPITAL LOHNEN SICH
Solange Unternehmen ihre Mitarbeiter allein als Kostenfaktor einordnen
und ignorieren, dass Humankapital in modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften
längst zum Wettbewerbsvorteil avanciert sei, "wird es in der
Unternehmensführung keinen Quantensprung geben". Dieser Ansicht
ist Peter Friederichs, Vorsitzender des Vorstandes des Human-Capital-Club
e.V. Friederichs und seine Mitstreiter kritisieren, dass immaterielle
Werte wie die Qualifikation von Mitarbeitern, ihr Wissen oder etwa die
Zahl der angemeldeten Patente (noch) keinen Niederschlag in Unternehmensbilanzen
finden.
"Unfassbare" Vermögenswerte
Erschwerend komme hinzu, dass Personalverantwortliche auf die Frage,
wie es um die Produktivität der Mitarbeiter bestellt ist, durchweg
mit den Achseln zucken. Tatsache ist: In der von "hard facts"
dominierten Welt der Konzerne spielen "unfassbare" Vermögenswerte
eine verschwindend geringe Rolle. Noch ist es üblich, Personal zu
entlassen, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. Zwar entspannt
sich vorübergehend der Aktienkurs; auf längere Sicht indes kommt
der Bumerang-Effekt, meint Ulrich Hocker, Chef der Deutschen Schutzvereinigung
für Wertpapierbesitz (DSW):
"Der Verlust von Know-how führt unmittelbar zu geringerer Motivation
und höherer Unsicherheit der verbleibenden Mitarbeiter."
Gleicher Meinung ist auch Daniela Sfameni, Leiterin der Personalentwicklung
bei der Allianz
Dresdner Asset Management GmbH in München. Sie beobachtet, dass
viele Unternehmen im Zuge der Sparmassnahmen ihr Weiterbildungsangebot
reduzieren, was Mitarbeiter ängstlich hinnehmen würden. Diese
Strategie schade jedoch, solange es darum gehe, "mit hoch qualifizierten
und motivierten Mitarbeitern im internationalem Wettbewerb zu bestehen."
Die Folge: Das Image ist angekratzt, die Loyalität der Mitarbeiter
sackt rapide ab. "Geht der Markt wieder aufwärts", warnt
Sfameni, "sind diese Mitarbeiter kaum zu halten." Doch es geht
auch anders.
Ins Humankapital zu investieren lohnt sich
"Ins Humankapital zu investieren lohnt sich", verspricht Veronika
Brandstätter, Psychologieprofessorin an der Universität Zürich
(Lehrstuhl für
Allgemeine Psychologie / Motivationspsychologie). Mit ihren Untersuchungen
will sie den Beweis antreten, dass sich weiche Faktoren unmittelbar in
wirtschaftlichem Erfolg niederschlagen. Investieren Unternehmen in Weiterbildung
und Motivation, zitiert Friederichs aktuelle Studien, "können
sie pro Beschäftigten höhere Umsätze erzielen, ihren Börsenwert
steigern und die Fluktuationsrate reduzieren." Auch die Unternehmensberatung
Boston Consulting Group
wies nach, dass die Investition in Humankapital unmittelbar zur Steigerung
des Shareholder value beiträgt.
Keine Frage - noch hat Humankapital längst nicht den Stellenwert,
der ihm laut Friedrichs und seinen Mitstreitern vom Human-Capital-Club
zusteht. Geht es nach Friedrichs, sollten Konzerne auf absehbare Zeit
verpflichtet werden, eine Humankapitalbilanz vorzulegen, von der auch
Managergehälter abhängen. Beginnen erst grosse Rating-Agenturen
wie Standard & Poor's, das Humankapital zu bewerten, prognostiziert
Anlegervertreter Hocker, "kann sich dieser Entwicklung niemand mehr
entziehen."
Quelle: Die Welt
(Online-Ausgabe vom 14. August 2004)